II.  Samstagnachmittag

A: Du bist pünktlich.

R: Klar, was hast dir gedacht? Übrigens bist du auch pünktlich.

A: Du siehst frisch aus.

R: Ich habe geduscht.

A: Auf dem Tisch stehen Kaffeekanne und Wasser, für 17:00 Uhr habe ich noch Kuchen bestellt.

R: Danke, du hast an alles gedacht.

A: Wir wollen nun ein Modell besprechen, nämlich das Raumzeit-Bewusstseins-Modell.

R: Würdest du bitte mit Erörtern beginnen, ich möchte währenddessen einen Kaffee trinken.

A: Einige Beschreibungen, die ich mir ausgedacht habe, sind:

Rückkopplung: Eine in sich geschlossene Kette von Ursachen und Wirkung. Der Begriff Rückkopplung stammt aus den Naturwissenschaften und ist heute für alle Lebensbereiche von Bedeutung.

Rückkopplungsschleifen: Die Rückkupplungsschleifen bilden die Bausteine aller sozialen Systeme und Formen. Dies bedeutet, dass jeglicher Vorgang letztendlich eine Rückwirkung auf das Element des Systems oder auf das Element der Form hat, das den Vorgang originär in Gang gesetzt hat. Rückkopplungsschleifen werden durch kausale Verknüpfungen zwischen Elementen der Realität gebildet.

Parameter: Eine messbare oder abgeleitete Variable, die durch Daten repräsentiert wird, zum Beispiel, Meeresoberflächentemperatur, Eismächtigkeit, relative Luftfeuchte.

Relation: Eine Relation ist allgemein eine Beziehung, die zwischen Dingen bestehen kann. Beziehung in der sich (zwei) Dinge, Gegebenheiten, Begriffe vergleichen lassen oder (wechselseitig) bedingen. Relation kann sich als Beziehung, Bezug, Verbindung, Verhältnis, Verknüpfung, Zusammenhang definieren lassen.

Unser Gehirn ist ein komplexes Organ. Einige wichtige Teile, die die soziale Verhaltensweise kontrollieren, sind:

– Der Hippocampus. Er bildet das Tor zum Gedächtnis und entscheidet über die Umwandlung von Kurzzeit- und Langzeiterinnerungen.

– Die Amygdala: Die ist der Sitz unserer Gefühle; dort werden vor allem negative Gefühle wie Furcht erzeugt oder registriert und verarbeitet.

– Der Thalamus: Bei dieser Struktur handelt es sich um eine Relaisstation, in der sensorische Signale aus dem Hirnstamm gesammelt und an andere Cortexregionen weitergeleitet werden.

– Der Hypothalamus: Er reguliert die Körpertemperatur, unseren Tag-Nacht-Rhythmus und Lustempfinden.

R: Möchtest du ein Glas Wasser? Ich kann es dir schon einschenken.

A: Nett von dir, ich kann es gut brauchen, schmeckt dir der Kaffee?

R: Hier ist das Wasser, der Kaffee ist nicht schlecht.

A: Danke für das Wasser. Unter dem Mikroskop lässt sich die komplexe Architektur des Gehirns bewundern. Die graue Substanz des Gehirns besteht vorwiegend aus den Zellkörpern von Milliarden Nervenzellen, die man als Neuronen bezeichnet. Die Komplexität des Gehirns lässt sich mit einem grossen Unternehmen vergleichen. Diesem Modell zufolge gibt es eine riesige Bürokratie, Autoritätshierarchien sowie gewaltige Informationsflüsse, die sich auf verschiedene Büros verteilen. Die wichtigen Informationen enden jedoch schliesslich in der Befehlszentrale beim Vorstandsvorsitzenden, den ich in diesem Zusammenhang „Fühlendes, Denkendes, Individuum“ (FDI) nenne. Dieser Vergleich erklärt uns einige Merkmale des Gehirns.

ein Grossteil der Information ist dabei unterbewusst.

Das heisst, das FDI bekommt von der riesigen, komplexen Datenmenge, die ständig in die Bürokratie einfliesst, zum Glück gar nichts mit. Tatsächlich landet nur ein winziger Bruchteil der Informationen auf dem Schreibtisch des FDI, den wir mit dem präfrontalen Cortex vergleichen können. Das FDI benötigt nur die Informationen, die so wichtig sind, dass es sich persönlich darum kümmern muss, sonst würde es in einer Lawine unerheblicher Information begraben werden.

Dieser Mechanismus ist ein Nebenprodukt der Evolution, denn unsere Vorfahren wären sonst angesichts einer Notsituation von überflüssiger Information überflutet und damit handlungsunfähig gemacht worden. Wir alle sind uns der Billionen Berechnungen, die unser Gehirn ständig anstellt, zum Glück nicht bewusst. Wenn man im Dschungel auf einen Tiger trifft, müssen wir uns nicht um den Zustand unseres Magens, unserer Haare oder Zehen kümmern. Alles, was zählt, ist die Beine in die Hand zu nehmen und sich schnellstmöglich aus dem Staub zu machen.

Emotionen sind rasche Entscheidungen, die unabhängig von der obersten Instanz auf einer niedrigeren Ebene getroffen werden.

Da rationale Entscheidungen viele Sekunden kosten, heisst das, dass es oft unmöglich ist, in einer Notsituation eine durchdachte Entscheidung zu treffen. Aus diesem Grund müssen hierarchisch niedrigere Hirnregionen die Situation rasch einschätzen und handeln. Daher sind Emotionen (Angst, Wut, Erschrecken usw.) die von der Evolution entwickelte rote Flagge, die die Kommandozentrale vor möglichen Gefahren warnen. Wir haben kaum eine bewusste Kontrolle über unsere Emotionen. Daraus folgt, dass Emotionen nicht nur Gefühle, sondern auch ein Satz physisch verwurzelter Überlebensmechanismen darstellen. Diese haben sich im Laufe der Evolution entwickelt, um uns zu veranlassen, Gefahren zu meiden und Dinge zu suchen, die für uns von Vorteil sind.

Die letzte Entscheidung trifft das FDI in der Kommandozentrale.

Fast die gesamte Bürokratie ist dem Sammeln und Zusammenstellen von Information für das FDI gewidmet, das sich nur mit den Leitern der jeweiligen Abteilung trifft. Das FDI versucht, zwischen all den widerstehenden Informationen, die in der Kommandozentrale einlaufen, zu vermitteln. In seinen Händen liegt die Verantwortung. Das FDI trifft als Exekutive die endgültige Entscheidung.

Menschen treffen ihre Entscheidungen auf einer höheren Ebene, nachdem sie unterschiedliche sensorische Informationen abgewogen haben. Die letzte Entscheidung liegt beim FDI im Gehirn, der im präfrontalen Cortex angesiedelt ist.

Jetzt möchte ich einen Kaffee trinken, du bist an der Reihe.

R: Gerne, in diesem Modell lässt sich das Bewusstsein neu definieren. Bewusstsein ist der Prozess, unter Verwendung zahlreicher Rückkopplungsstreifen bezüglich verschiedener Parameter (z.B. Temperatur, Raum, Zeit und in Relation zueinander) ein Modell der Welt zu schaffen, um ein Ziel zu erreichen (z.B. Geschlechtspartner, Nahrung, Unterschlupf usw. zu finden).

Ich nenne dies das Raumzeit-Bewusstsein-Modell, weil sie die Vorstellung betont, dass Tiere ein Modell der Welt vorwiegend in Relation zum Raum zueinander schaffen, während Menschen darüber hinausgehen und ein Modell der Welt in Relation zu der Zeit kreieren und zwar sowohl in Hinblick auf die Zukunft als auch auf die Vergangenheit.

– Die niedrigste Stufe des Bewusstseins ist beispielsweise die Stufe 0. Das ist der Fall, wenn ein Organismus immobil ist oder nur eine begrenzte Mobilität ausweist und ein Modell seines Platzes mit Hilfe von ein paar Rückkopplungsschleifen in einigen Parametern (wie Temperatur) schafft. Verfügt eine Pflanze über einige Rückkopplungsschleifen wie Temperatur, Feuchtigkeit, Sonnenstrahlung, Schwerkraft usw. kann sie sich danach gedeihen lassen oder sie wird gedeihen.

– Organismen, die mobil sind und ein Zentralnervensystem (ZNS) haben, haben ein Stufe-I-Bewusstsein, denn sie benötigen einen neuen Satz Parameter, um deren verändernde Umgebung zu registrieren. Ein Beispiel für ein Stufe -I- Bewusstsein sind Reptilien. Diese verfügen über so viele Rückkopplungsschleifen, dass sie ein ZNS entwickelt haben, um sie zu integrieren. Das Reptiliengehirn hat vielleicht hundert oder mehr Rückkopplungsschleifen, die ihren Geruchs-, Gelichgewichts-, Tast-, Hör- und Sehsinn sowie ihren Blutdruck regeln, wobei jede davon weitere Rückkopplungsstreifen enthält. Beispielsweise umfasst allein schon der Sehsinn eine grosse Zahl von Rückkopplungsschleifen, denn das Auge kann Farben, Bewegung, Formen, Lichtintensität und Schatten wahrnehmen. Ebenso erfordern die anderen Reptiliensinne wie der Hör-und Tastsinn zusätzliche Rückkopplungsschleifen. Die Gesamtheit dieser vielen Rückkopplungsschleifen schafft ein mentales Bild, wo in der Welt sich das Reptil befindet und wo sich andere Tiere, z.B. Beutetiere, befinden. Das Stufe-I- Bewusstsein wird vorwiegend vom Reptiliengehirn gesteuert, das im hinteren und mittleren Bereich unseres Gehirns sitzt.

– Als Nächstes komme ich zum Stufe-II-Bewusstsein derjenigen Organismen, die nicht nur ein Modell ihrer Position im Raum, sondern auch im Hinblick auf andere schaffen. Es handelt sich hierbei um soziale Tiere mit Emotionen wie Pferde, Wölfe oder Elefanten. Die Zahl der Rückkopplungsschleifen ist beim Stufe-II-Bewusstsein exponentiell und führt zu komplexen Verhaltensweisen, die ein deutlich grösseres Gehirn erfordern. Daher fällt das Stufe-II-Bewusstsein mit der Bildung neuer Hirnstrukturen in Form des limbischen Systems zusammen. Das limbische System umfasst den Hippocampus (Langzeiterinnerungen), die Amygdala (Emotionen) und den Thalamus (Relaisstation für sensorische Information). Sie alle liefern neue Parameter, um ein Modell für die Beziehung zu anderen zu schaffen. Das Stufe-II-Bewusstsein ist definierbar als die Gesamtzahl der eigenständigen Rückkopplungsschleifen, die nötig sind, damit ein Tier mit den Artengenossen, die zu seiner Gruppe gehören, sozial interagieren kann. Dazu gehört das Erkennen von Rivalen und Freunden, das Eingehen von Bindungen, das Erwidern von Gefälligkeiten, die Bildung von Koalitionen, das Verständnis für den eigenen Status und den sozialen Rang des anderen, das Respektieren höherrangiger Gruppenmitglieder, das Ausüben von Macht über niederrangige Artgenossen und der Versuch, die soziale Leiter hinaufzuklettern usw.

Ich bekomme Durst.

A: Ich schenke dir ein Glas Wasser ein.

R: Danke! Eben, es sieht so, dass die Evolution keinen Zweck und Plan hat und natürlich ist sie niemals sauber und präzise. Mit diesem Rahmenwerk für den Begriff des Bewusstseins wird deutlich, dass Menschen nicht einzigartig sind und es ein Kontinuum des Bewusstseins gibt. So meinte Charles Darwin einst, dass so gross der Unterschied zwischen dem Menschen und den höheren Tieren auch sein mag, so ist er doch nur ein gradueller und kein prinzipieller. Aber was trennt das menschliche vom tierischen Bewusstsein? Das Alleinstellungsmerkmal des Menschen im Tierreich ist, dass nur er das Konzept der Zukunft versteht. Anders als Tiere fragen wir uns ständig „Was wäre, wenn?“. Wir denken Wochen, Monate oder sogar Jahre voraus. Daher glaube ich, dass das Stufe-III-Bewusstsein ein Modell des eigenen Platzes in der Welt schafft und dieses Modell dann mittels grober Voraussagen in die Zukunft transportiert. Dementsprechend unterscheidet sich unser Gehirn von den anderen Tieren, vor allem, was unseren grossen präfrontalen Cortex angeht, der direkt hinter der Stirn liegt und uns erlaubt, in die Zukunft zu „sehen“. Daraus kann man schliessen, dass das menschliche Bewusstsein eine spezifische Form des Bewusstseins ist, das ein Modell der Welt schafft und dann darauf referiert, um die Zukunft zu simulieren. Um Entscheidungen zu treffen und ein Ziel zu erreichen, erfordert es die Berücksichtigung und Evaluation vieler Rückkopplungsschleifen. Wir verlassen uns in vielen Situationen auf Instinkte und Emotionen, gleichzeitig analysieren wir ständig Informationen aus zahllosen Rückkopplungsschleifen und bewerten sie. Wir führen Simulationen durch. Der Sinn einer Simulation besteht darin, verschiedene Möglichkeiten durchzuspielen und sich für denjenigen Weg zu entscheiden, mit dem sich das Ziel am besten erreichen lässt. Diese Prozesse laufen im präfrontalen Cortex ab und erlauben uns, die Zukunft zu simulieren und verschiedene Möglichkeiten zu evaluieren, um die beste Vorgehensweise zu finden.

Diese Fähigkeit hat sich im Laufe der Evolution aus verschieden Gründen herausgebildet. Erstens hat die Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen, enorme evolutionäre Vorteile, etwa den Fressfeinden auszuweichen und Nahrung wie auch Geschlechtspartner zu finden. Zweitens ermöglicht sie uns, zwischen verschiedenen potenziellen Ergebnissen zu wählen und das günstigste herauszusuchen. Drittens steigt die Zahl der Rückkopplungsschleifen von Stufe 0 über Stufe I zu Stufe II exponentiell an, weshalb wir ein FDI brauchen, um all diese widersprüchlichen, wettstreitenden Botschaften zu bewerten. Die Instinkte allein reichen in diesem Fall nicht mehr aus. Es muss eine zentrale Instanz geben, die all diese Rückkopplungsschleifen gewichtet. Das unterscheidet das menschliche Bewusstsein von dem anderer Tiere. Der Schlüssel liegt jedoch darin, die Zukunft zu simulieren, indem man kausale Beziehungen zwischen Ereignissen findet – das heisst; wenn A geschieht, dann folgt B daraus. Doch wenn B geschieht, können C und D resultieren. Das setzt eine Kettenreaktion von Ereignissen in Gang, die schliesslich einen Baum mit einer Kaskade möglicher Zukünfte hervorbringt. Das DFI im präfrontalen Cortex gewichtet die Resultate dieses Kausalbaums, um zur endgültigen Entscheidung zu kommen. Zum Beispiel: In vielen Spielfilmen spielt die Gruppe, die eine Bank ausrauben will, viele realistische Simulationen des Raubes im Kopf durch. Dazu denkt die Gruppe an die verschiedenen Kausalbeziehungen, etwa die Polizei, Kunden im Schalterraum, Alarmsysteme, Beziehungen zu Mittätern, Verkehrsbedingungen, Staatsanwaltschaft usw.

Also ich bin fertig, du bist daran.

A: Ich habe einen Vorschlag; wir machen die nächsten Beschreibungen zusammen.

R: Was meinst du damit?

A: Ich meine, dass wir uns einander ergänzen.

R: Einverstanden!

A: Nun, ich fasse zusammen:

Stufe I: Bewusstseinsstrom. Menschen sind wahrscheinlich die einzigen Wesen auf diesem Planeten, die in der Lage sind, mit sämtlichen Stufen des Bewusstseins zu operieren. Wenn wir durch den Park spazieren, sind wir uns des Pflanzendufts, der leichten Brise, der tanzenden Sonnenflecken auf dem Boden und ähnlicher Eindrücke bewusst. Das sind die Momente, in denen wir uns all dieser sensorischen Erfindungen bewusst werden.

R: Unsere Sinne senden Signale, die zum Thalamus (weiter) geleitet werden, der als Relaisstation dient. Er filtert die Signale und schickt sie an verschiedene Cortexareale weiter. So werden beispielsweise die Bilder des Parks an den Hinterhauptlappen geschickt, während die Tastempfindungen, die vom Wind ausgelöst werden, in den Scheitellappen gesendet werden. Diese sensorischen Daten werden in den entsprechenden Cortexarealen verarbeitet und an den präfrontalen Cortex weitergeleitet.

A: Stufe II: Unseren Platz in der Gesellschaft finden. Während das Stufe-I-Bewusstsein anhand sensorischer Signale ein Modell unserer physischen Position im Raum schafft, schafft das Stufe-II-Bewusstsein ein Modell unseres Platzes in der Gesellschaft. Nehmen wir an, du besuchst eine Cocktailparty, an der Leute präsent sind, die wichtig für deinen Job sind. Während du die Anwesenden musterst und Leute aus deinem Unternehmen zu identifizieren versuchst, kommt es zu einem intensiven Wechselspiel zwischen dem Hippocampus (der die Erinnerungen verarbeitet), der Amygdala (welche die Emotionen verarbeitet) und deinem präfrontalen Cortex (der die Informationen verknüpft). Mit jedem Bild verbindet dein Gehirn automatisch eine Emotion wie Freude, Angst, Wut oder Eifersucht.

R: Wenn du deinen wichtigsten Rivalen entdeckst, den du verdächtigst, dir in den Rücken zu fallen, wird das Gefühl der Furcht von der Amygdala verarbeitet. Diese schickt eine dringende Botschaft an den präfrontalen Cortex, um ihn auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Gleichzeitig wird dem endokrinen System signalisiert, damit zu beginnen, Adrenalin und andere Hormone ins Blut auszuschütten. Dadurch steigt die Herzschlagfrequenz, und der Körper bereitet sich auf eine mögliche Kampf-oder-Flucht-Reaktion vor.

A: Jenseits des einfachen Erkennens anderer Leute hat unser Gehirn die unheimliche Fähigkeit, sich vorstellen zu können, was andere Leute denken – es erlaubt, dass sich der Mensch in den Kopf eines anderen hineinzuversetzen vermag. In komplexen Gesellschaften hat jeder, der in der Lage ist, die Absichten, Motive und Pläne anderer Menschen korrekt vorauszuschauen, einen gewaltigen Überlebensvorteil gegenüber denjenigen, die das nicht können. Diese Fähigkeit erlaubt uns, sich mit anderen zu verbünden, Feinde zu isolieren und Freundschaften zu vertiefen, was unsere Macht und unsere Überlebens- sowie Paarungschancen stark verbessert.

R: Emotionen werden im limbischen System generiert und verarbeitet. Im Rahmen des Stufe-II-Bewusstseins werden wir ständig mit sensorischen Informationen bombardiert. Emotionen sind jedoch rasche Reaktionen des limbischen Systems auf eine Notsituation, die keine Ermächtigung vom präfrontalen Cortex brauchen. Der Hippocampus ist entscheidend für die Verarbeitung von Erinnerungen. Daher spielen für das Stufe-II-Bewusstsein die Reaktionen der Amygdala, des Hippocampus und des präfrontalen Cortex eine Rolle.

A: Die höchste Stufe des Bewusstseins ist das Stufe-III-Bewusstsein, mit dessen Hilfe wir unser Modell der Welt schaffen und Simulationen der Zukunft durchführen. Wir tun dies, indem wir unsere Erinnerungen an Menschen und Ereignisse herbeiziehen und dann die Zukunft simulieren, indem wir Kausalverbindungen knüpfen, um einen „Kausalbaum“ zu schaffen.

Während du die verschiedenen Gesichter auf der Cocktailparty musterst, stellst du dir ein paar einfache Fragen: Wie kann mir diese Person helfen? Wie werden die Gerüchte, die durch den Raum schwirren, meine Zukunft beeinflussen?

Nehmen wir an, du hast gerade deine Wohnung verloren und suchst eine neue. Während du dich mit verschiedenen Leuten auf der Party unterhältst, spielst du im Kopf fieberhaft die Zukunft mit jeder Person durch, mit der du sprichst. Du fragst dich: Wie kann ich mein Gegenüber beeindrucken? Welche Themen sollte ich anschneiden, um mich möglichst vorteilhaft zu präsentieren? Kann er mir eine Wohnung verschaffen?

R: Die Simulation der Zukunft, das Herz des Stufe-III-Bewusstseins, wird vom dorsolateralen präfrontalen Cortex, dem FDI des Gehirns, bestimmt; er vermittelt zwischen dem Lustzentrum und dem mit diesem konkurrierenden orbitofrontalen Cortex, der unsere Impulse im Zaum hält.

A: Möchtest du ein Glas Wasser?

R: Ja, gerne. Das Raumzeit-Bewusstsein-Modell stellt eine Definition vom Ich-Bewusstsein dar, eine die tastbar und handhabbar ist. Das Ich-Bewusstsein schafft ein Modell der Welt und simuliert die Zukunft, in dem dieses „Ich“ auftritt. Lebewesen verfügen über ein gewisses Ich-Bewusstsein, denn sie müssen wissen, wo sie sich befinden, wenn sie überleben und sich fortpflanzen wollen. Weitgehend ist es aber durch Instinkte beschränkt. Aber wir sehen uns ständig in verschiedenen Situationen, in der Schule, bei der Familie, auf dem Weg zu einem Date, auf der Stellensuche, bei der Karriereplanung, … die alle nicht durch Instinkte bestimmt sind.

A: Nun, wir haben das Raumzeit-Bewusstsein-Modell beschrieben. Jetzt verdienen wir eine Pause. Ich schlage vor, dass wir einen Spaziergang machen.

R: Das finde ich eine gute Idee, spazieren tut mir gut. Du hast aber für 17:00 Uhr Kuchen bestellt. Handelt es sich um Schokoladenkuchen?

A: Nein, es ist Zitronenkuchen.

R: Ich habe keinen Hunger und mag keinen Kuchen, gehen wir doch lieber spazieren.

A: Die Kuchen sind sowieso im Kühlschrank.

R: Also machen wir uns auf den Weg. Hier, die Treppe hinunter – und schon sind wir draussen unter freiem Himmel! Die Sonne scheint im Moment noch, aber geht bald unter, es wird langsam kühl. Ich ziehe meine Jacke an.

A: Ich habe meinen Pullover dabei und ziehe ihn schon an. Wir gehen in Richtung Bahnstation. Achtung, hier geht es den Berg hinunter!

R: Danke, ich passe auf. Stell dir vor, du bist das erste Mal in einer grossen Stadt unterwegs und hast weder ein Handy noch eine Uhr. Ich schätze, du würdest jemanden nach der Zeit fragen: „Entschuldigung, können Sie mir bitte die genaue Uhrzeit sagen?“ – als gäbe es auf der grundlegenden Ebene so etwas wie die Zeit. Und wenn du dich wirklich in dieser grossen Stadt hoffnungslos verlaufen würdest, hättest du sicher jemanden angesprochen und ihn gefragt: „Entschuldigen Sie, wo bin ich hier?“ – Damit zeigst du an, dass du nicht nach einer Eigenschaft des Raums fragst, sondern vielmehr nach einer Eigenschaft, die dich persönlich betrifft, nämlich nach deinem Standort im Raum zum Zeitpunkt der Fragestellung. Wenn du nach der Zeit fragst, fragst du auf ähnliche Weise nicht wirklich nach einer Eigenschaft der Zeit, sondern vielmehr nach deiner Position in der Zeit. Raum und Zeit sind keine objektiven Grössen, sie sagen nur etwa über den aktuellen Standort des Beobachters aus. Daher wäre es angemessener zu fragen: „Wann bin ich?“ Die Raumzeit enthält alle Orte und alle Zeiten, so dass es weder die Zeit noch den Ort gibt. Wenn Einstein schrieb „Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige“, bezog er sich auf die Tatsache, dass diese Konzepte in der Raumzeit keine objektive Bedeutung haben. Wenn wir an die „Gegenwart“ denken, meinen wir damit den Zeitschnitt durch die Raumzeit. Das entspricht dem Zeitpunkt, an dem wir diesen Gedanken haben. Mit „Zukunft“ und „Vergangenheit“ meinen wir die Teile über und unter diesem Schnitt. Das ist mit der Verwendung der Begriffe hier, vor mir und hinter mir vergleichbar, wenn wir uns auf verschiedene Teile der Raumzeit relativ zu unserer gegenwärtigen Position bezeichnen. Der Teil, der vor dir ist, ist eindeutig nicht weniger real als der Teil hinter dir. Wenn du allerdings vorwärts gehst, wird etwas, das augenblicklich noch vor dir liegt, in Zukunft hinter dir liegen, während es gegenwärtig hinter verschieden anderen Leuten liegt. In vergleichbarer Weise ist die Zukunft in der Raumzeit genauso real wie die Vergangenheit. Teile der Raumzeit, die sich augenblicklich in deiner Zukunft befinden, werden in deiner Zukunft in deiner Vergangenheit sein.

Ich glaube, bis hier reicht es mir, ich bin müde. Können wir jetzt zurückkehren?

A: Ok, jetzt müssen wir den Berg mit langen Atemzügen hinaufgehen.

Vor Kurzem erhielt ich die E-Mail eines Freundes, der sagte, er habe mich mit meinem Hund spazieren gehen sehen und ich hätte dabei mit dem Handy telefoniert. Ich wusste, dass das nicht stimmen konnte. Erstens, weil ich an diesem Nachmittag nicht mit dem Hund draussen gewesen war, und zweitens, weil ich nie das Telefon mitnehme, wenn ich mit dem Hund rausgehe, da ich mir dadurch die Gelegenheit zum Nachdenken verderbe. Stellen wir uns jetzt vor, nur um die Geschichte auf die Spitze zu treiben, er habe gesehen, wie „ich“ einen Mord beging. Nach der Auffassung meines Freundes von der Vergangenheit habe ich also gemordet. Er sah es mit eigenen Augen aufgrund seiner Erinnerungen. Nach meiner eigenen Auffassung von der Vergangenheit allerdings weiss ich genau, dass ich nicht einmal dort war. Ein Gericht könnte seine Version der Ereignisse übernehmen und mich schuldig sprechen. Das wäre dann die offizielle Version der Vergangenheit, aber sie enthielte nicht das, was wirklich geschah. Die Vergangenheit ist nichts als eine Kette von Erinnerungen. Eine Erinnerung – zum Beispiel ein Spaziergang umfasst Informationen, die aufgeteilt und in verschiedenen Regionen des Gehirns gespeichert werden. Doch wenn man nur einen Aspekt der Erinnerung wieder erlebt (z.B. den Geruch frisch gemähten Grases), kann dies unter Umständen dazu führen, dass das Gehirn blitzschnell alle Teilstücke zusammenfügt und eine zusammenhängende Erinnerung abruft. Alle unsere Erinnerungen und Erfahrungen sind höchst persönlich. Erinnerungen können individuell angepasst werden, so dass die Erinnerungskategorien eines Menschen nicht unbedingt mit denjenigen eines anderen Menschen übereinstimmen. In der Tat kann jeder von uns die Wirklichkeit in etwas anderer Weise sehen. Unsere Erinnerungen sind nicht mehr als Annährungen an die realen Objekte sowie Ereignisse, die in der Vergangenheit geschehen sind, erfahren und erlaubt wurden. Oft stützen wir uns auf zerbrechliche und häufig falsche Erinnerungen, die uns mit der Vergangenheit verbinden.

R: Was meinst du dazu, wenn wir jetzt mit der Entropie beginnen? Dann haben wir am Abend weniger zu diskutieren.

A: Ich habe keinen Einwand, wenn du gerade anfängst!

R: Entropie besagt, dass die Unordnung im Laufe der Zeit zunimmt. Das erleben wir jeden Tag. So aufgeräumt die Küche morgens auch sein mag, sie schafft es immer wieder, bis zum Abend unordentlich zu sein; das Gleiche gilt für Waschkörbe, Schreibtische und Kinderzimmer. Jetzt können wir uns vorstellen, dass Felix ganz hektisch ist, weil er glaubt, in die Wohnung, die er gemeinsam mit Oscar bewohnt, sei eingebrochen worden. „Die haben alles durchwühlt“, erzählt er Oscar. Der wimmelt ihn ab – Felix hat doch sicher nur einen seiner seltsamen Momente. Um das zu beweisen, stösst Oscar die Tür zu seinem eigenen Zimmer auf, in dem überall Kleidungsstücke, leere Pizzaschachteln und zerdrückte Bierdosen verstreut sind. „Sieht doch aus wie immer“, grunzt Oscar. Aber Felix lässt nicht locker: „Natürlich sieht es aus wie immer – wenn du einen Schweinestall durchwühlst, sieht der immer noch wie ein Schweinstall aus. Aber sieh dir mal mein Zimmer an.“ Er stösst seine eigene Tür auf. „Durchwühlt“, spottet Oscar, „hier ist es doch tip top.“ „Sauber und ordentlich, ja. Aber die Einbrecher haben ihre Spuren hinterlassen. Meine Flaschen mit den Vitamintabletten? Nicht der Grösse nach aufgereiht. Meine gesammelten Werke von Shakespeare? Nicht mehr alphabetisch sortiert. Und meine Sockenschublade? Sieh dir bloss das hier an; schwarze Paare in dem Fach für die blauen! Durchwühlt, ich sag es dir. Ganz offensichtlich durchwühlt.“

Wenn wir einmal Felix‘ Hysterie einmal beiseitelassen, lässt sich dem Szenario etwas Einfaches, aber Wichtiges entnehmen. Wenn etwas sehr unordentlich ist – wie Oscars Zimmer – bleibt das äussere Erscheinungsbild im Grossen und Ganzen betrachtet auch bei vielen möglichen Umordnungen der Einzelteile gleich. Ob man die 26 zerknitterten Hemden, die über Bett, Fussboden und Kommode verstreut waren, aufhebt und sie so oder so hinschmeisst oder die 42 zerdrückten Bierdosen mal hier, mal dort verteilt – der Raum sieht immer gleich aus. Wenn etwas aber exakt geordnet ist wie in Felix` Zimmer, fällt selbst eine kleine Umordnung sofort auf. Dieser Unterschied bildet die Grundlage für die Definition der Entropie. Man nimmt ein beliebiges System und zählt, auf wie viele Arten seine Bestandteile angeordnet sein können, damit immer der gleiche makroskopische Gesamteindruck herauskommt. Diese Zahl ist ein Mass für die Entropie des Systems. Wenn eine grosse Zahl solcher Anordnungen existiert, ist die Entropie hoch: Das System ist sehr ungeordnet. Ist die Zahl der Anordnungen klein, dann haben wir es mit niedriger Entropie zu tun: Ist das System stark geordnet, bedeutet das zugleich, dass seine Unordnung gering ist. Ich kann wohl sagen, dass die Erde rund ist.

A: Was meinst du?

R: Wir sind wieder vor der Tür des Hotels.

A: Also, machen wir nach dem Abendessen weiter?

R: Einverstanden.