Gewaltfreie Kommunikation – GFK

A: Guten Morgen!

R: Guten Morgen, hast du gut geschlafen?

A: Ja, kann ich einen Tee haben?

R: Sicher, ich schenke dir einen Tee ein. Zucker und Milch sind schon auf dem Tisch.

A: Danke für den Tee. Er schmeckt anders!

R: Ich habe dem Tee frischen Zitronensaft hinzugefügt.

A: Der Tee gefällt mir!

R: Das freut mich zu hören!

A: Worüber unterhalten wir uns heute?

R: Heute besprechen wir die „Gewaltfreie Kommunikation“. Bist du einverstanden?

A: Aber ja, ich trinke noch einen Tee und höre dir zu!

R: Die Sprache und der Gebrauch von Wörtern üben grossen Einfluss auf unsere Kommunikation aus. Wir betrachten unsere Art zu sprechen oft nicht als „gewalttätig“, dennoch führen unsere Worte oft zu Verletzungen, Beleidigungen, Kränkungen und Leid – bei uns selbst oder bei anderen. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) hilft uns bei der Umgestaltung unseres sprachlichen Ausdrucks und unserer Art zuzuhören. Aus gewohnheitsmässigen, automatischen Reaktionen werden bewusste Antworten, die fast auf dem Boden unseres Bewusstseins über dem stehen, was wir wahrnehmen, fühlen und brauchen. Wir werden angeregt, uns ehrlich und klar auszudrücken und gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken. Unabhängig vom Thema eines Gesprächs gelingt es uns dann immer besser, unseren eigenen Bedürfnissen wie auch deren unserer Gesprächspartner auf die Spur zu kommen. Gewaltfreie Kommunikation wandelt unsere alten Muster von Verteidigung, Rückzug oder Angriff angesichts von Urteilen und Kritik um. Durch die gewaltfreie Kommunikation kommen wir immer mehr dahin, uns selbst und andere sowie unsere innere Einstellung und die Dynamik unserer Beziehungen in einem neuen Licht zu sehen und somit unsere eigenen, zugrunde liegenden Bedürfnisse und der anderen wahrzunehmen. Widerstand, Abwehr und gewalttätige Reaktionen werden auf ein Minimum reduziert.

A: Ist die gewaltfreie Kommunikation ein neues Modell des Kommunizierens?

R: Man spricht von der gewaltfreien Kommunikation als einem „Prozess der Kommunikation“ und gleichzeitig als einer „Sprache der Einfühlsamkeit“. Gewaltfreie Kommunikation ist auf einer tieferen Ebene ein ständiger Appell, unsere Aufmerksamkeit in eine Richtung zu lenken, in der die Wahrscheinlichkeit steigt, dass wir das bekommen, wonach wir suchen nämlich Harmonie, Feinfühligkeit und Wohlergehen.

A: Wie stellst du das Modell der gewaltfreien Kommunikation dar?

R: In diesem Modell richtet man das Licht seines Bewusstseins auf vier Komponenten. Sie sind Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten.

A: Ich koche mir noch einen Tee. Möchtest du auch Einen?

R: Ja, gerne.

A: Du hast von Beobachtungen, Gefühlen, Bedürfnissen und Bitten als den vier Bestandteilen der gewaltfreien Kommunikation gesprochen. Würdest du sie bitte beschreiben?

R: Gerne, das erste Element sind Beobachtungen. Zuerst beobachten wir, was in einer Situation tatsächlich geschieht: Was hören wir andere sagen, was sehen wir, was andere tun, wodurch wird unser Leben entweder reicher oder auch nicht? Die Kunst besteht darin, unsere Beobachtung dem anderen ohne Beurteilung und Bewertung mitzuteilen – einfach zu beschreiben, was jemand macht, und dass wir es entweder mögen oder nicht.

A: Ich schenke dir einen frischen Tee ein und stelle ihn auf den Tisch!

R: Danke für den Tee. Also, das zweite Element sind Gefühle. Als nächste sprechen wir aus, wie wir uns fühlen, wenn wir diese Handlung beobachten. Fühlen wir uns verletzt, erschrocken, froh, amüsiert, irritiert usw.

A: Gefällt dir der Tee?

R: Ja, was ist das? Was hast du in den Tee gegeben?

A: Ich habe dem Tee einen Teelöffel Zimt hinzugefügt.

R: Das dritte Element sind Bedürfnisse. In diesem Schritt sagen wir, welche unserer Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen stehen. Das Bewusstsein dieser drei Komponenten ist uns gegenwärtig, wenn wir die gewaltfreie Kommunikation einsetzen, um klar und ehrlich auszudrücken, wie es uns gerade geht.

A: Kannst du ein Beispiel machen?

R: Eine Mutter kann diese drei Bestandteile ihrem Sohn gegenüber ausdrücken, indem sie sagt: „Felix, ich ärgere mich, wenn ich zwei zusammengerollte schmutzige Socken unter dem Kaffeetisch sehe und noch drei neben dem Fernseher, weil ich in den Räumen, die wir gemeinsam benutzen, mehr Ordnung brauche“.

A: Wenn sich ein Vater oder eine Mutter so klar und eindeutig äussert, dann werden viele Probleme, die die Eltern mit ihren Kindern aufgrund der Kommunikation haben, verringert und minimiert.

R: Nicht unbedingt!

A: Was meinst du damit?

R: Wir haben das vierte Element nämlich die Bitte noch nicht besprochen. Würdest du die drei Komponenten, welche die Mutter benutzt und mit denen sie sich verbalisiert, beschreiben?

A: Die Mutter beobachtet, wie ihr Sohn die Socken überall hinlegt und liegen lässt. Sie formuliert ihr Gefühl, indem sie sagt; „Ich ärgere mich“. Sie fasst ihr Bedürfnis in Worte, indem sie ihrem Sohn mitteilt: «Ich brauche in den Räumen, die wir gemeinsam benutzen, mehr Ordnung».

R: Eben, das vierte Element sind Bitten. Die Mutter macht dann sofort weiter mit der vierten Komponente – einer spezifischen Bitte: „ Würdest du bitte deine Socken in dein Zimmer oder in den Wäschekorb tun?“ Dieses vierte Element nämlich Bitten bezieht sich darauf, was wir vom andern wollen, so dass das Leben der Beiden schöner wird. Was kann er oder sie konkret tun, um unsere Lebensqualität zu verbessern.

A: Möchtest du noch einen Tee?

R: Sehr gerne!

A: Hier gebe ich dir Einen!

R: Ich danke dir für den Tee. So besteht die eine Seite der gewaltfreien Kommunikation darin, diese vier Informationsteile ganz klar auszudrücken, mit Worten oder auf andere Weise. Auf der anderen Seite nehmen wir die gleichen vier Informationsteile von unseren Mitmenschen auf. Wir treten mit ihnen in Kontakt, indem wir uns darauf einstimmen, was sie beobachten, fühlen und brauchen, und wenn wir dann den vierten Teil hören, ihre Bitte, entdecken wir, was ihre Lebensqualität verbessern würde.

A: Möchtest du ein Glas Wasser?

R: Ja, ich habe Durst!

A: Ich stelle dein Wasser auf den Tisch!

R: Besten Dank. Während wir unser Augenmerk auf diese vier Bereiche richten und anderen dabei helfen, das gleiche zu tun, bauen wir einen Kommunikationsfluss auf, der sich hin und her bewegt: Was ich beobachte, fühle und brauche; um was ich bitte, um mein Leben zu verschönern; was du beobachtest, fühlst und brauchst; worum du bittest, um dein Leben zu verschönern. Gewaltfreie Kommunikation gründet sich auf sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten, die unsere Möglichkeiten erweitert, selbst unter herausfordernden Umständen freundlich zu bleiben. GFK (Gewaltfreie Kommunikation) trainiert uns, sorgfältig zu beobachten und die Verhaltensweisen und Umstände, die uns stören, genau zu bestimmen und festzulegen. Wir lernen, in einer bestimmen Situation zu erkennen, was wir brauchen, um etwas klar auszusprechen. Die Form ist einfach und hat doch starke Transformationskraft.

A: Ich fasse das Modell der gewaltfreien Kommunikation zusammen:

  1. Konkrete Handlungen, die wir beobachten können, und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen.
  2. Wie wir uns fühlen, in Verbindung mit dem, was wir beobachten.
  3. Unsere Bedürfnisse, Werte, Wünsche usw. aus denen diese Gefühle entstehen.
  4. Die konkrete Handlung, um die wir bitten möchten, damit unser aller Leben reicher wird.

R: Auch wenn wir die GFK zweckmässigerweise als „Prozess“ oder „Sprache“ bezeichnen, ist es genauso gut möglich, alle vier Teile des Modells auszudrücken, ohne dabei ein einziges Wort zu verlieren. Das Wesentliche der GFK findet sich in unserem Bewusstsein über die vier Komponenten wieder und nicht in den tatsächlichen Worten, die gewechselt werden.

A: Kannst du die Bausteine der gewaltfreien Kommunikation nochmals darstellen?

R: Gewaltfreie Kommunikation hilft uns, wahrzunehmen und klar auszudrücken:

  • Welche Vorkommnisse, die wir beobachten, die unsere Bedürfnisse erfüllen;
  • Welche Vorkommnisse, die wir beobachten, die unsere Bedürfnisse nicht erfüllen;
  • Was wir im Augenblick fühlen und brauchen;
  • Um welche Handlungen wir bitten, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen.

A: Möchtest du etwas trinken?

R: Nein, danke.

A: Erzähle weiter!

R: Darüber hinaus hilft uns Gewaltfreie Kommunikation, empathisch zu hören:

  • Welche Vorkommnisse, die andere wahrnehmen, die ihre Bedürfnisse erfüllen;
  • Welche Vorkommnisse, die andere wahrnehmen, die ihre Bedürfnisse nicht erfüllen;
  • Was andere fühlen und brauchen;
  • Welche Handlungen andere wünschen, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

A: Erzähle weiter!

R: In der gewaltfreien Kommunikation werden Meinungen und Überzeugungen als Meinungen und Überzeugen betrachtet und nicht als Tatsachen. Wir sollen daran denken: Unser Ziel und das Ziel der gewaltfreien Kommunikation ist nicht, zu bekommen, was wir wollen, sondern Verbundenheit zwischen Menschen herzustellen, die dazu führt, dass die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden. Es geht um Mitgefühl, dieses wertvolle und zutiefst menschliche Potenzial. So einfach und gleichzeitig so komplex ist die gewaltfreie Kommunikation.

A: Ich kann daraus schliessen, dass die gewaltfreie Kommunikation ein anwendbares Modell ist. Sie zeigt uns, wie wir unsere Ausdruckweise und unser Zuhören durch die Fokussierung unseres Bewusstseins auf vier Bereiche umgestalten können, nämlich was wir beobachten, fühlen und brauchen und worum wir bitten wollen, um unsere Lebensqualität zu verbessern.

R: Gewaltfreie Kommunikation fördert intensives Zuhören, Respekt und Empathie, und sie erzeugt Einfühlsamkeit und einen beiderseitigen Wunsch von Herzen zu geben.

A: Ist dieses Modell bei allen Kontakten nutzbar?

R: Ich glaube schon. Einige nutzen die GFK, um mit sich selbst einfühlsam umzugehen, andere vertiefen damit ihre persönlichen Beziehungen, und wieder andere bauen sich so bessere Kontakte am Arbeitsplatz oder in der Politik auf. In der Tat kann man die gewaltfreie Kommunikation überall einsetzen, um bei Auseinandersetzungen und Konflikten auf allen Ebenen zu vermitteln.

A: Wie können wir die Konflikte mit der Hilfe der gewaltfreien Kommunikation lösen?

R: Dafür brauchen wir Übungen. Für den Prozess der Konfliktlösung müssen wir uns vollständig von dem Ziel verabschieden, Menschen dahin zu bringen, dass sie das tun, was wir wollen. Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, Bedingungen zu schaffen, die den Bedürfnissen aller gerecht werden. Der Prozess der gewaltfreien Kommunikation basiert auf einem achtsamen Umgang miteinander, der eine aufrichtige Kooperation fördert. Zu den Übungen der gewaltfreien Kommunikation, die helfen, Konflikte zu lösen, gehört, dass wir:

  1. unsere eigenen Bedürfnisse ausdrücken;
  2. die Bedürfnisse andere Menschen erkunden, unabhängig davon, wie sie sich ausdrücken;
  3. überprüfen, ob die eigenen persönlichen Bedürfnisse von der anderen Seite so verstanden wurden, wie wir sie meinen;
  4. die Empathie (= Einfühlung) aufbringen, die die Menschen brauchen, um dann selbst die Bedürfnisse anderer hören zu können;
  5. vorgeschlagene Lösungen oder Strategien in positive Handlungssprache übersetzten.

A: Das Thema ist vielseitig. Können wir es vertiefen?

R: Ja, das tun wir.

A: Machen wir für heute Schluss?

R: Das machen wir!

 

 

 

 

 

Quellen

Rosenberg, Marshall B. Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn: Junfermann, 2016.

Rosenberg, Marshall B. Erziehung, die das Leben bereichert. Paderborn: Junfermann, 2007.

Rosenberg, Marshall B. Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Freiburg im Breisgau: Herder, 2012.

Rosenberg, Marshall B. Das können wir klären. Paderborn: Junfermann, 2007.