Mit vier Ohren hören – 1

A: Guten Morgen!

R: Guten Morgen, du siehst frisch aus!

A: Ich habe gut und ruhig schlafen können!

R: Schön für dich, möchtest du einen Kaffee, Tee?

A: Wenn es dir nichts ausmacht, Beides!

R: Kein Problem, als Erstes schenke ich dir und mir einen ganz frischen Kaffee aus der Kaffeemaschine ein, dann setzte ich mich dir gegenüber hin, bitte schön, hier ist dein Kaffee. Zucker und Milch sind schon auf dem Tisch.

A: Danke dir, der Kaffee riecht wie immer gut, eigentlich bist du der beste Kaffeekocher!

R: Danke, an deiner Stelle würde ich das gleiche Sagen!

A: Oh, du hast mich erwischt!

R: Du kochst den Kaffee und ich den Tee nicht gern.

A: Heute ist zum Glück ein Feiertag.

R: Genau, ein Tag, an dem wir nicht für Lohn arbeiten müssen. Heute wird unsere Arbeit nicht bezahlt!

A: In den letzten Arbeitstagen ging alles gut und ich ärgere mich nicht mehr über den Chef. Das Leben ist wieder schön und angenehm.

R: Dann diskutieren wir heute darüber, wie wir „mit vier Ohren hören“ können. Es ist die beste Zeit.

A: Also, ich bereite den Tee vor und höre dir zu!

R: Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation ist schnell beschrieben. Da ist ein „Sender“, der etwas mitteilen möchte. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen – Wir nennen das, was er von sich gibt, seine „Nachricht“. Dem Empfänger obliegt es, dieses wahrnehmbare Gebilde zu entschlüsseln. Eine Nachricht enthält vier Botschaften und zwar Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell.

A: Ich schenke dir einen frischen Tee ein!

R: Danke für den Tee, er riecht gut. Nun, die vier Botschaften einer Nachricht kann man mit vier Ohren empfangen:

  1. Sachinhalt: Worüber der Sender informiert? Wie ist der Sachverhalt zu verstehen?
  2. Selbstoffenbarung: Was der Sender von sich selbst kundgibt? Was ist das für einer? Was ist mit ihm?
  3. Beziehung: Was der Sender vom Empfänger hält und wie sie zueinander stehen? Wie redet der Sender eigentlich mit dem Empfänger? Wen glaubt der Sender vor sich zu haben?
  4. Appell: Wozu der Sender den Empfänger veranlassen möchte? Was soll der Empfänger tun, denken, fühlen auf Grund der Mitteilung des Senders.

A: Würdest du bitte einige Beispiele machen?

R: Sicher, ein Einfaches Beispiel – Ich bin der Sender und sende dir diese Nachricht: „Heute ist ein Feiertag“

Sachinhalt: – Heute ist ein Feiertag,

Selbstoffenbarung: – Ich arbeite heute nicht,

Beziehung: – Ich wohne mit dir,

Appell: – Wir können etwas unternehmen.

Also „Heute ist ein Feiertag“

Sachaspekt: Wie kann der Sender Sachverhalt klar und verständlich mitteilen.

Selbstoffenbarungsaspekt: Wenn der Sender etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich.

Beziehungsaspekt: Wie behandelt der Sender seinen Mitmenschen durch die Art seiner Kommunikation.

Appellaspekt: Wenn der Sender etwas von sich gibt, will er in der Regel auch etwas bewirken.

A: Gute Darstellung!

R: Noch ein weiteres Beispiel:

Ein Mann (= Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (= Empfänger): „Du da vorne ist grün!“ – Was steckt alles darin in diese Nachricht, was hat der Sender bewusst oder unbewusst hineingesteckt, und was kann der Empfänger ihr entnehmen?

A: Fragst du mich?

R: Ja?

A: Als erster, Sachinhalt – Worüber der Sender Informiert?

R: Genau, zunächst enthält die Nachricht eine Information. Im Beispiel erfahren wir etwas über den Zustand der Ampel – Sie steht auf grün. Immer wenn es „um die Sache“ geht, steht diese Seite der Nachricht im Vordergrund.

A: Als zweiter, Selbstoffenbarung – Was der Sender von sich selbst kundgibt?

R: In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über die mitgeteilten Sachinhalt, sondern auch Informationen über die Person des Senders. Dem Beispiel können wir entnehmen, dass der Sender offenbar deutschsprachig und vermutlich farbtüchtig ist, überhaupt, dass er wach ist und innerlich dabei ist. Ferner: dass er es vielleicht eilig hat usw. Allgemein gesagt: In Jeder Nachricht steckt ein Stück Selbstoffenbarung des Senders.

A: Als dritter, Beziehung – Was der Sender vom Empfänger hält und wie sie zueinander stehen?

R: Aus der Nachricht geht ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht, was er von ihm hält. Oft zeigt sich dies in der gewählten Formulierung, im Tonfall und anderen nichtsprachlichen Begleitsignalen. Für diese Seite der Nachricht hat der Empfänger ein besonders empfindliches Ohr; denn hier fühlt er sich als Person in bestimmter Weise behandelt (oder misshandelt). In unserm Beispiel gibt der Mann durch seinen Hinweis zu erkennen, dass er seiner Frau nicht recht zutraut, ohne seine Hilfe den Wagen optimal zu fahren. Allgemein gesprochen: Eine Nachricht senden heisst auch immer, zu dem Angesprochenen eine bestimmte Art von Beziehung auszudrücken.

A: Als vierter, Appell – Wozu der Sender den Empfänger veranlassen möchte?

R: Kaum etwas wird „nur so“ gesagt – fast alle Nachrichten haben die Funktion, auf den Empfänger Einfluss zu nehmen. Die Nachricht dient also (auch) dazu, den Empfänger zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen. In unserem Beispiel lautet der Appell vielleicht: „Gib ein bisschen Gas, dann schaffen wir es noch bei Grün!“

A: Möchtest du noch einen Tee?

R: Ja, gerne!

A: Ich schenke dir einen frischen Tee ein und fasse zusammen!

R: Der Tee ist gut, danke.

A: Der Mann, der die Nachricht sendet, sagt: „Du, da vorne ist Grün!“

  • Sachinhalt: Die Verkehrsampel ist grün!
  • Selbstoffenbarung: Ich habe es eilig!
  • Beziehung: Du brauchst meine Hilfestellung!
  • Appell: Gib Gas!

Die Frau, die die Nachricht empfängt, hört: „Du, da vorne ist Grün!“

  • Sachinhalt: Ich sehe schon, dass die Ampel grün ist!
  • Selbstoffenbarung: Er muss immer etwas sagen!
  • Beziehung: Er schreibt mir vor, ich lasse mich von niemandem bevormunden!
  • Appell: Fährst du, oder fahre ich!

R: Interessant, deine Beschreibung bezieht sich auf „Beziehungsohr“!

A: Ja, klar, wenn ich am Steuer sitze und fahre, und der Mitfahrende neben mir schildert, wie ich fahren müsse, dann fühle ich mich schon bevormundet. Ich glaube, in diesem Zusammenhang steht der Beziehungscharakter im Vordergrund und zwar vor dem Sachinhalt.

R: Bestimmt, in vielen Fällen scheitern Sender und Empfänger in der Klärung der Frage, ob eine Nachricht überwiegend Selbstoffenbarungs-oder überwiegend Beziehungscharakter hat. Zum Beispiel: Der eine Ehepartner zieht sich auf sein Zimmer zurück. Liegt die Hauptbotschaft dieses Verhalten auf der Selbstoffenbarungsseite („Ich brauche Ruhe, möchte für mich allein sein – das hat nicht mit dir und unserer Beziehung zu tun“) oder auf der Beziehungsseite („Ich kann dich jetzt nicht ab“)? Beides wäre möglich.

A: „Mit vier Ohren Hören“ ist ein Interessantes Thema. Ich habe einen Vorschlag.

R: Was ist dein Vorschlag!

A: Wir machen jetzt eine Pause und beginnen die Wohnung aufzuräumen. Wir können danach weitermachen!

R: Ich bin einverstanden!

 

 

 

Quellen

Schulz von Thun, Friedemann. miteinander reden 1. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007.