Der Spieler

R: Was machen wir jetzt?

A: Essen und Trinken hält Körper und Geist zusammen. Das Abendessen haben wir gerade gehabt, das Geschirr und Besteck haben wir schon abgewaschen und aufgeräumt. Ich öffne uns jetzt noch eine Flasche Wein. Würdest du bitte zwei Weingläser mitbringen? Ich gehe schon ins Wohnzimmer, wo wir uns dann hinsetzen können.

R: Alles klar!

A: Ich schenke uns den Wein ein – Prost!

R: Danke, Prost!

A: Das letzte Mal haben wir uns über die Bühne unterhalten. Die Bühne ist dynamisch und veränderlich, und wenn wir ein Theater besuchen, achten wir auf das Bühnenbild, die Schauspieler und die Handlung. Das Bühnenbild oder vielmehr die Bühne ist unser Lebensbereich, unsere Umgebung, unsere Stadt, unser Arbeitsplatz, unsere Kontakte, Freunde und Familie.

R: Genau, die Bühne ist unsere alltägliche Tätigkeit und sie ist an jedem Ort und in jeder Zeit, wo wir uns befinden.

Stimme:

Es hat der Wein zum zweiten Mal

Mich meiner Hand entrückt, (1)

A: Ich schenke dir noch einen Schluck Wein ein!

R: Danke für den Wein.

A: Aber was ist mit dem Spieler und dessen Handlung?

R: Eine berechtige Frage! Lass uns noch etwas Zeit. Bitte lies doch vor, aus dem Buch, dass du gerade in der Hand hast. Vielleicht finden wir heraus, was der Spieler und dessen Handlung ist.

A: Also ich fange an: «Der Eran-Dibirbad hatte Abraham rufen lassen. Sie brauchten ein altes byzantinisches Buch, in dem die Ansichten des Griechen Platon über das Wesen der Welt erklärt wurden. Für die Griechen war diese Welt eine dunkle Höhle, an deren Wänden die Schatten der anderen, der wirklichen Welt wogten und sich verflochten. Süsslicher Rauch entströmte einem tiefköpfigen Räuchergefäss und hüllte die Bibliothek ein. Der Hellhäutige sass am Schachtisch, neben ihm standen einige Andere im Halbkreis. Der Hellhäutige musterte Abraham erstaunt und schien ihm dann zuzunicken. Sie stritten über logische Figuren und beriefen sich auf Bücher, die er nicht kannte. Mazdak stand da wie ein Fels, die Füsse in den spitzen persischen Pantoffeln leicht auseinandergestellt. Ein flüchtiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel, doch er hörte aufmerksam zu und machte erst später dem Streit mit einem kurzen Satz ein Ende. Nein, bestimmt gäbe es eine höhere Kraft. Ob Gott, die Natur oder die Materie, sie sollten sie nennen, wie sie wollten. In ihr lägen vier Kräfte: die Fähigkeit zu unterscheiden, das die Zeit besiegende Gedächtnis, die Einsicht, die uns immer das Gleichgewicht finden lässt, und schliesslich die Freude, die Befriedigung, nach der alles Lebendige strebt. Diese vier Kräfte regieren die Welt durch sieben Gepräge: den Mächtigen, den Vorsteher, den Lastträger, den Gesandten, den Kenner, den Berater, den Diener. Die sieben bewegen sich im ewigen Kreis von zwölf geistigen Wesen, die gewisse Tätigkeiten bezeichnen: der Rufende, Gebende, Nehmende, Bringende, Essende, Laufende, Hütende, Säende, Schlagende, Kommende, Gehende und Festbleibende. Die Vereinigung dieser vier Kräfte mit den sieben und durch sie mit den zwölf ist das Licht der Wahrheit. Also liegt in der Ansicht der Platoniker mit ihrer Höhle ein Körnchen Wahrheit verborgen, denn dieses Licht fällt tatsächlich durch einen schmalen Spalt, gebrochen und verzerrt, auf unsere Welt. Die Gesetze jenes Lichts sind jedoch fest und ewig, während die Finsternis zufällig ist und unbedingt besiegt werden wird. Platon wusste das nicht. Unsere Aufgabe ist es, die Höhle bis in ihre letzten Winkel zu erleuchten.» (2). Oh, jetzt habe ich Durst.

R: Ich hole dir Wasser…. Also, ich stelle das Glas auf den Tisch und fülle es mit dem Wasser aus dem Wasserkrug. Bitte, du kannst jetzt trinken.

A: Danke, nett von dir.

R: Vier, sieben und zwölf…so die Botschaft des Buches. Es sind nur drei Zahlen. Also, der Spieler hat die vier Naturkräfte in sich. Der Spieler besteht aus sieben wunderbaren Merkmalen und zwar Reproduktion, Stoffwechsel und Nahrung, Komplexität, Organisation, Wachstum und Entwicklung, Informationsgehalt und Hardware-Software-Verknüpfung. Der Spieler kann sich zeitgleich auf zwölf Handlungen konzentrieren nämlich Gesundheit, Ernährung, Wohlstand, Ungleichheit, Umwelt, Frieden, Sicherheit, Demokratie, gleiche Rechte, Wissen, Lebensqualität und Glück.

A: Was du nicht sagst! Noch einen Schluck Wein?

R: Sehr gerne. Die vier Naturkräfte sind die starke und schwache Kernkraft, Gravitation und elektromagnetische Kraft. Die Geburt eines Menschen gleicht der starken Kernkraft, der Kraft, die den Zusammenhalt der Atome hervorbringt. Das Bewusstsein eines Menschen ähnelt der schwachen Kernkraft, der Kraft innerhalb des Atomkerns. Die Gravitation gleicht der Umgebung eines Menschen, der sozialen Kontakte und Beziehungen, und elektromagnetische Kraft ähnelt dem Kommunikationsmittel eines Menschen.

A: Ich kann dir nicht folgen. Würdest du bitte alles verdeutlichen?

R: Wir bestehen aus Materie und diese Materie besteht wiederum aus Atomen. Die starke Kernkraft ist die Kraft, welche den Atomkern zusammenhält. Wir sind eine Ansammlung von Atomen. Ein Mensch besteht aus einer Eins mit 28 Nullen Atomen. Ohne diese Kraft hätten wir keinen Körper, keine Erscheinung, keine Gestalt. Die schwache Kernkraft ist die zweitschwächste der Grundkräfte nach der Gravitation mit einer sehr kurzen Reichweite. Sie wirkt auf alle Materieteilchen, nicht aber auf kräftetragende Teilchen. Die schwache Kernkraft ist die Kraft innerhalb des Atomkerns, die den Kernzerfall ermöglicht. Sie funktioniert gleich wie unser Bewusstsein, denn wenn das Bewusstsein stirbt, stirbt und zerfällt auch unser Körper. Unser Körper ist eine Anhäufung von Materien. Der Mensch ist ein Lebewesen mit einem Ich-Bewusstsein. Unser Körper besteht aus organischer Materie und unser Bewusstsein ist das Werk dieser sich immer verändernden Materie. Die Gravitation ist die Anziehungskraft. Stell dir vor, eine berühmte Persönlichkeit, ein berühmter Schauspieler oder Fussballspieler besucht eine Veranstaltung. Um das Gebäude sammeln sich die Zuschauer und Fans und wollen ihm Hände schütteln, vielleicht eine Unterschrift auf einem Bild, oder ein gemeinsames Foto. Diese Beschreibung soll, was die Gravitation in diesem Konzept bedeutet und wie sie auf den Anderen wirkt, verdeutlichen. Die Anziehungskraft der Person spricht seine Mitmenschen an. Wir sind eine elektromagnetische Spezies. Der Tastsinn bedient sich aus komplizierten Gründen auch elektromagnetischer Schwingungen und Wechselwirkungen. Alle Sinne eines Menschen basieren in irgendeiner Form als elektromagnetische Interaktion. Stell dir vor, ein Parteipräsident hält eine Rede. Er drückt sich vielseitig aus, verbalisiert, behauptet, er hat Überzeugungskraft. Mimik und Gestik sind seine Kommunikationsmittel.

Stimme:

Gezollt sei tausendfacher Dank,

Dem roten Wein dafür, (1)

A: Ich schenke dir einen Schluck Wein ein, wie gefällt dir der Wein?

R: Ich finde ihn gut. Wie heisst er?

A: Das ist ein Marques.

Stimme:

Der Gedanke und das Wort,

sind nur verschiedene Formen,

sie streben nach Wahrheit,

und die Tat ist die Wahrheit. (3)

A: Nun, du hast die Zahl Vier charakterisiert. Erzähle weiter, ich höre dir gerne zu!

R: Also, Menschen, Tiere, Lebewesen sind Organismen. Sie besitzen sieben folgende Eigenschaften:

 

Reproduktion – Ein lebender Organismus sollte in der Lage sein, sich fortzupflanzen. Fortpflanzung ist bloss eine Produktion, eine Kopie des Originals. Der Nachkomme muss stets auch eine Kopie des Fortpflanzungsapparat in sich tragen. Durch Paarung reproduzieren sich die Menschen und dadurch eine Kopie von sich selbst.

 

Stoffwechsel und Nahrung – Um als tatsächlich lebend anerkannt zu werden, muss ein Organismus auch irgendetwas tun. Jeder Organismus verarbeitet Chemikalien in komplizierten Reaktionsketten und gewinnt dabei Energie, die ihn befähigt, Aufgaben auszuführen. Die Tiere fressen Pflanzen und andere Tiere und gewinnen somit die Energie. Menschen nehmen die Nahrung zu sich, um überleben zu können.

Komplexität – Alle bekannten Lebensformen sind erstaunlich komplex. Sogar einzellige Organismen wie Bakterien wimmeln von Aktivität, an der Millionen von Zellenkomponenten beteiligt sind. Unser Gehirn besteht aus rund 100 Milliarden Neuronen – was ungefähr der Zahl der Sterne in der Milchstrasse entspricht -, wobei jedes Neuron mit rund 10,000 anderen Neuronen verknüpft ist.

Organisation – Unsere zwei Beine würden uns kaum weiterhelfen, wenn ihre Bewegungen nicht koordiniert wären. Selbst innerhalb einzelner Zellen ist die Zusammenarbeit verblüffend. Die Moleküle trudeln nicht einfach sinnlos, sondern verhalten sich wie Arbeiter in einer Montagehalle, mit einem hohen Grad an Spezialisierung, mit Arbeitsteilung und einer Befehls- und Kontrollstruktur.

 

Stimme:

Trunken ist der Vogt, der Heuchler,

Fürchte nichts und bringe Wein! (1)

 

A: Ich schenke dir einen Schluck Wein ein, und gebe dir etwas Wasser!

R: Wasser kann ich gut gebrauchen, ich bin durstig und dieser Wein ist unvergleichlich.

A: Ich höre dir weiter zu!

 

R: Wachstum und Entwicklung – Einzelne Organismen wachsen, und Ökosysteme tendieren dazu, sich auszubreiten, wenn die Umstände günstig sind. Ein Mensch wird als ein Säugling geboren und er wächst im Laufe der Zeit. Eine subtilere, aber weitaus bedeutendere Eigenschaft des lebenden Organismus ist seine Entwicklung, die wiederum durch Anpassung und Variation entsteht. Die Entwicklung eines Menschen beginnt gerade nach seiner Geburt und sie endet mit seinem Tod.

Informationsgehalt – In den letzten Jahren haben Wissenschaftler die Ähnlichkeiten zwischen lebenden Organismen und Computern betont. Entscheidend ist, dass die Information, die zur Fortpflanzung eines Organismus nötig ist, in Form von Genen an den Nachwuchs vererbt wird. Die Menschen geben ihre genetische Vererbung der nächsten Generation weiter. Es kann somit wohl gesagt werden, dass das Leben eine Art Informationstechnologie ist.

 

Hardware-Software-Verknüpfung – Wie Wissenschaftler noch heutzutage beschreiben, geht alles Leben, wie man es auf der Erde findet, auf eine Übereinkunft zwischen zwei sehr verschiedenen Klassen von Molekülen zurück: Nukleinsäuren und Proteine. Nukleinsäuren speichern die Software des Lebens, während die Proteine die Arbeit verrichten und die Hardware stellen. Die beiden chemischen Domänen können nur deshalb zusammenarbeiten, weil es einen hochspezifischen und ausgeklügelten Kommunikationskanal zwischen ihnen gibt, der über einen Code operiert, den genetischen Code.

 

Stimme:

Wer da getrunken, wie Hafis,

vom lauteren, reinen Wein, (1)

A: Wir haben schon eine Flasche Wein getrunken, ich könnte noch eine zweite aufmachen. Magst du noch?

R: Ich bin müde und möchte mich hinlegen. Die zwölf Handlungen des Spielers besprechen wir demnächst.

A: Dann schlaf schön!

 

 

 

Quellen:

  1. Hafis, persisch ausgesprochen, Hàfez (1315-1390) ist einer der bekanntesten persischen Dichter und Mystiker.
  2. Mazdak, ein Werk von Moris Simaschko, Verlag Volk und Welt, Berlin 1976.
  3. Schreiber

Davies, Paul. Das fünfte Wunder. Frankfurt am Main: Fischer, 2015.

Hawking, Stephen. Die kürzeste Geschichte der Zeit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2010.

Kaku, Michio. Im Paralleluniversum. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007.