A: Guten Morgen!
R: Guten Morgen! Möchtest du einen Tee!
A: Sehr gerne!
R: Wie hast du geschlafen?
A: Eigentlich gut, ich habe viel geträumt!
R: Was hast du geträumt?
A: Ich habe von der gewaltfreien Kommunikation geträumt. Machen wir heute weiter?
R: Ja, zuerst schenke ich dir einen frischen Tee ein!
A: Was für ein Tee ist es?
R: Das ist ein Kamillentee!
A: Danke für den Tee, er riecht gut.
R: In der ersten Komponente der GFK beobachten wir ohne zu bewerten; in der zweiten Komponente nehmen wir unsere Gefühle wahr und drücken sie aus. Eine Grundfähigkeit in der gewaltfreien Kommunikation besteht darin, unserer Aufmerksamkeit in jedem Augenblick auf das zu konzentrieren, was wir empfinden. Ein zentraler Aspekt des Empfindens ist, sich selbst dessen bewusst sein, dass andere Menschen nicht für unsere Gefühle verantwortlich sind. Das einzige, was unsere Gefühle beeinflussen kann, ist die Haltung, mit der wir reagieren.
A: Kann ich noch einen Tee haben?
R: Selbstverständlich, ich stelle die Teekanne auf den Tische, jetzt kannst du dich selbst bedienen!
A: Ich danke dir, bitte erzähle weiter!
R: Kein Lebewesen würde lange überleben, wenn es keine Gefühle hätte. Wenn wir zum Beispiel dieses unbehagliche Gefühl haben, das wir Hunger nennen, dann besorgen wir uns etwas zu essen. Es geht darum, herauszufinden, was man fühlt, was man braucht und was man will. Nun beim Ausdrücken unserer Empfindungen müssen wir zwischen Gefühlen und Nicht-Gefühlen unterscheiden.
A: Was meinst du damit?
R: Eine häufig vorkommende Verwirrung zwischen Gefühlen und Nicht-Gefühlen wird durch unseren Sprachgebrauch ausgelöst: Wir sprechen oft das Wort fühlen aus, ohne damit wirklich ein Gefühl auszudrücken. So sollte man z.B. in dem Satz: „Ich habe das Gefühl, dass mir kein faires Angebot gemacht wurde“ die Passage „Ich habe das Gefühl“ passender ersetzen durch, „Ich denke“. Allgemein können wir sagen, dass Gefühle nicht klar ausgedrückt werden, wenn nach dem Wort fühlen folgendes kommt:
- Wörter wie dass, wie, als ob
- „Ich habe das Gefühl, dass du es besser wissen solltest.“
- „Ich fühle mich wie ein Versager.“
- „Ich fühle mich, als ob ich mit einer Wand zusammenleben würde.“
- Die persönlichen Pronomen ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie:
- „Ich habe das Gefühl, ich bin immer zur Stelle.“
- „Ich habe das Gefühl, es ist sinnlos.“
- Namen oder Hauptwörter, die sich auf Menschen beziehen:
- „Ich habe das Gefühl, Martin ist immer sehr verantwortlich.“
- „Ich habe das Gefühl, mein Chef manipuliert.“
A: Interessant, erzähle weiter!
R: Umgekehrt ist es nicht einmal nötig, das Wort fühlen auszusprechen, wenn wir wirklich ein Gefühl ausdrücken wollen: Wir können sagen: „Ich fühle mich irritiert“ oder einfach: „Ich bin irritiert“. In der GFK unterscheiden wir zwischen Wörtern, die wirklich Gefühle ausdrücken, und Wörtern, die beschreiben, was wir darüber denken, wie wir sind.
I. Beschreibung unseres Denkens, wie wir sind:
„Ich fühle mich unzulänglich als Gitarrist.“
In dieser Aussage beurteile ich eher meine Fähigkeit als Gitarrist als meine Gefühle klar auszudrücken.
II.Ausdruck wirklicher Gefühle:„Ich fühle mich als Gitarrist enttäuscht über mich selbst.“
„Ich fühle mich als Gitarrist ungeduldig mit mir selbst.“
„Ich fühle mich als Gitarrist frustriert über mich selbst.“
Das tatsächliche Gefühl hinter meiner Einschätzung von mir selbst als „unzulänglich“ kann also z.B. Enttäuschung, Ungeduld, Frustration oder ein anderes Gefühl sein.
A: Der Tee hat mir gefallen, ich koch mir noch einen Tee, möchtest du auch Einen?
R: Gerne. Ähnlich hilfreich ist es, zwischen Wörtern zu unterscheiden, die beschreiben, was wir meinen, was andere um uns herum tun, und solchen, die wirkliche Gefühle beschreiben. Jetzt stelle ich einige Beispiele von Aussagen dar, die leicht als Ausdruck von Gefühlen missverstanden werden können: Tatsächlich sagen sie mehr darüber aus, wie wir denken, wie andere sich verhalten, als darüber, was wir selbst fühlen:
- „Ich habe das Gefühl, ich bin den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, nicht wichtig.“
Die Wörter nicht wichtig beschreiben, wie ich denke, dass andere mich einschätzen, statt einem tatsächlichen Gefühl wie vielleicht: „Ich bin traurig“ oder „Ich fühle mich entmutigt“ in dieser Situation.
- „Ich fühle mich missverstanden“.
Hier weist das Wort missverstanden auf meine Einschätzung von Verständnispotential eines anderen Menschen hin statt auf ein tatsächliches Gefühl. In dieser Situation fühle ich mich vielleicht ängstlich oder verärgert oder irgendwie anders.
- „Ich fühle mich ignoriert “
Das ist eher eine Interpretation des Verhaltens anderer als eine klare Aussage über unsere Gefühle. Ohne Zweifel ist es schon vorgekommen, dass wir dachten, wir würden ignoriert, und unser Gefühl war Erleichterung, weil wir für uns sein wollten. Ohne Zweifel haben wir uns auch schon einmal verletzt gefühlt, wenn wir dachten, wir würden ignoriert, weil wir dazugehören wollten. Wörter wie „ignoriert“ drücken statt unserer eigenen Gefühle eher unsere Interpretation anderer Menschen aus.
A: Ich schenke dir einen frischen Tee ein!
R: Ich danke dir für den Tee!
A: Wie bauen wir uns einen Gefühlswortschatz auf?
R: Wenn wir unsere Gefühle ausdrücken wollen, dann hilft es uns, Wörter zu benutzen, die spezifische Gefühle benennen, statt Wörter, die vage oder allgemein sind. Wenn ich sage: „Dabei fühle ich mich gut“, oder: „Dabei fühle ich mich schlecht“, ist das keine besonders klare Beschreibung meiner Gefühle. „Gut“ kann „begeister“, „ermutigt“, „zufrieden“ bedeuten oder etwas zwischen den genannten Möglichkeiten. „Schlecht“ kann „niedergeschlagen“, „entmutigt“, oder einfach „leicht enttäuscht“ heissen. Wörter wie gut oder schlecht verhindern, dass der Zuhörer mit dem, was wir wirklich fühlen, leicht in Kontakt kommen kann.
A: Aber in jeder Kultur, die wir auf dieser Welt kennen, stellt, jede auf ihre Weise, dieser immer gleiche Frage: „Wie geht es dir“? Es ist ganz natürlich, ja offensichtlich, das zu fragen. Wie geht es dir? Und die Antwort ist fast immer „gut“ oder „schlecht“.
R: Bestimmt, du hast richtig gesagt. Bei Begegnungen können wir die Frage: „Wie geht es“ auch anders Formulieren und zwar „Wie geht es, wie steht es?“, wie dem auch sein, wenn wir harmonisch miteinander leben wollen, wenn wir am Leben anderer Menschen Anteil haben wollen und uns gegenseitig unterstützen, dann ist es wichtig zu wissen, wie es den Menschen um uns herum geht. Die gewaltfreie Kommunikation unterscheidet zwischen dem tatsächlichen Ausdruck von Gefühlen einerseits und Wörtern sowie Aussagen, die Gedanken, Einschätzungen und Interpretationen wiedergeben, andererseits.
A: Übung macht den Meister. Können wir die den Ausdruck der Gefühlen und Empfindungen üben?
R: Sicher, ich stelle die Sätze dar, und du kannst sie analysieren, wie findest du es?
A: Ich bin einverstanden!
R: Der erste Satz: „Ich habe das Gefühl, du liebst mich nicht.“
A: Ich halte „du liebst mich nicht“ nicht für ein Gefühl. Es drückt eher aus, was der Sprecher darüber denkt, was die andere Person fühlt, als wie er sich selbst fühlt. Formulierungen wie: „Ich habe das Gefühl, ich/du/er/sie/es/wir/ihr/sie“, „Ich habe das Gefühl, dass / als ob… „ oder: „Ich fühle mich wie…“ drücken im Allgemeinen nicht das aus, was ich unter einem Gefühl verstehe. Beispiele für das Ausdrücken eines Gefühls können so klingen: „Ich bin traurig“ oder, „Ich fühle mich verzweifelt“.
R: Der nächste Satz: „Ich freue mich darüber, dass Sie den Bericht fertiggestellt haben“.
A: Hier handelt es sich um den verbalen Ausdruck eines Gefühls.
R: Noch ein Satz: „Ich bekomme Angst, wenn du das sagst.“
A: Hier wurde ein Gefühl verbal ausgedruckt.
R: Ein weiterer Satz: „Wenn du mich nicht grüsst, dann fühle ich mich vernachlässig“.
A: Ich halte „vernachlässigt“ nicht für ein Gefühl. Es druckt eher aus, was die Sprecherin darüber denkt, was die andere Person ihr möglicherweise antut. Das Ausdrücken eines Gefühls kann z.B. so klingen: „Wenn du mich nicht grüsst, bin ich enttäuscht.“
R: Der neue Satz: „Ich freue mich, dass du kommen kannst.“
A: Hier wurde ein Gefühl verbal ausgedruckt.
R: Noch ein Satz: „ Du bist ekelhaft“.
A: Ich halte „ekelhaft“ nicht für ein Gefühl. Es drückt eher aus, was der Sprecher über die andere Person denkt und nicht, wie er sich selbst fühlst. Das Ausdrücken eines Gefühls kann z.B. so klingen: „Ich fühle mich angeekelt.“
R: Neuer Satz: „Ich habe Lust, dich zu schlagen.“
A: Ich halte „Lust dich zu schlagen“ nicht für ein Gefühl. Es drückt eher das aus, was der Sprecher sich vorstellt zu tun und nicht, wie er sich selbst fühlt. Das Ausdrücken eines Gefühls kann z.B. klingen: „Ich bin sauer auf dich“.
R: Wieder ein Satz: „Ich fühle mich missverstanden.“
A: Ich halte „missverstanden“ nicht für ein Gefühl. Es drückt eher aus, was der Sprecher denkt, was die andere Person macht, und nicht wie er sich selbst fühlt. Das Ausdrücken eines Gefühls in diesem Fall kann z.B. so klingen: „Ich bin frustriert“ oder, „Ich fühle mich mutlos.“
R: Noch ein neuer Satz: „Ich habe ein gutes Gefühl zu dem, was du für mich getan hast“.
A: Hier wurde ein Gefühl verbal ausgedrückt. Das Wort „gut“ ist jedoch als Gefühlsbeschreibung sehr ungenau. Wir können unsere Gefühle normalerweise mit anderen Wörtern deutlicher zum Ausdruck bringen, in diesem Fall zum Beispiel mit „erleichtert“, „hocherfreut“ oder, „ermutigt“.
R: Weiterer Satz: „Ich fühle mich wertlos“.
A: Ich halte „wertlos“ nicht für ein Gefühl. Es drückt eher aus, wie die Sprecherin über sich denkt, und nicht wie sie sich fühlt. Beispiele für einen Gefühlsausdrück können z.B. so klingen: „Ich fühle mich unsicher was meine Fähigkeiten angeht“ oder, „Ich fühle mich mutlos.“
R: Noch einer Satz: „Ich fühle mich traurig, weil ich möchte, dass jeder am Arbeitsplatz das Gefühl hat, dazu zugehören, und ich sehe, dass du dieses Gefühl nicht hast.“
A: Hier handelt es sich um den verbalen Ausdruck eines Gefühls.
R: Der Satz: „Du bist wunderbar.“
A: Für mich ist „wunderbar“ kein Gefühl, sondern das Wort bringt zum Ausdruck, wie der Sprecher die andere Person bewertet, nämlich als wunderbar; es sagt jedoch nichts darüber aus, wie der Sprecher sich selbst fühlt. Ein Beispiel für einen Gefühlsausdruck könnte in diesem Fall sein: „Ich freue mich…“ oder, „Ich bin glücklich, wenn ich sehe, dass du…“.
R: Noch ein Satz: „Als du dem neuen Angstelltem alles gezeigt hast, habe ich mich sehr gefreut“.
A: Hier handelt es sich um den verbalen Ausdruck eines Gefühls.
R: Ein neuer Satz: „Ich bin dankbar, weil du mir gesagt hast, was dir Sorgen macht.“
A: Hier handelt es sich um den verbalen Ausdruck eines Gefühls.
R: Noch ein Satz: „Ich mache mir Sorgen, dass du vielleicht nicht genügend Zeit hast, um das hier fertig zu machen“.
A: Hier handelt es sich um den verbalen Ausdruck eines Gefühls.
R: Weiterer Satz: „Wenn du nicht tust, was ich sage, fühle ich mich nicht respektiert“.
A: Ich halte „nicht respektiert“ nicht für ein Gefühl. Für mich kommt darin zum Ausdruck, was die andere Person nach Ansicht des Sprechers tut. Ein Gefühl könnte in diesem Fall durch eine Formulierung wie „Ich fühle mich enttäuscht…“ oder, „Ich fühle mich empört…“ zum Ausdruck gebracht werden.
R: Der letzte Satz: „Ich fühle mich glücklich, wenn ich sehe, wie viel du lernst“.
A: Hier handelte es sich um den Ausdruck eines Gefühls.
R: In der zweiten Komponente der GFK geht um das Ausdrucken der Gefühle: Wie wir uns fühlen (Emotionen oder Empfindungen statt Gedanken) in Beziehung zu dem, was wir beobachten.
A: Ich bin müde!
R: Dann machen wir Schluss.
Quellen
Rosenberg, Marshall B. Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn: Junfermann, 2016.
Rosenberg, Marshall B. Erziehung, die das Leben bereichert. Paderborn: Junfermann, 2007.
Rosenberg, Marshall B. Konflikte lösen durch gewaltfreie Kommunikation. Freiburg im Breisgau: Herder, 2012.